Nach der Food Tour bin ich mit der U-Bahn in das Stadtviertel Hongkou gefahren. Dort wollte ich mir das „Shanghai Jewish Refugees Museum“ in der ehemaligen Ohel Moshe Synagoge ansehen. Schon auf dem Weg von der U-Bahn zur Synagoge traf ich auf die ersten Erinnerungen an die Vergangenheit Hongkous als „Klein-Wien“. Entlang der Straße waren an einer Mauer Bilder mit Szenen aus dem Leben der jüdischen Flüchtlinge in Hongkou in den 30er und 40er Jahren aufgehängt. Eine Tafel mit einem Stadtplan wies auf verschiedene historisch bedeutsame Orte in Hongkou im Zusammenhang mit den hierher geflüchteten Juden hin.
In Shanghai gab es schon eine relativ große jüdische Gemeinde, bevor ab 1933 jüdische Flüchtlinge aus West-Europa kamen. Dazu gehörten zum einen sephardische Juden, die hauptsächlich aus dem Irak stammten und die bereits nach dem erste Opiumkrieg und der Öffnung chinesischer Häfen für den Überseehandel nach Shanghai ausgewandert und dort zu großem Reichtum gekommen waren. Hinzu kamen ab Anfang des 20. Jahrhunderts aschkenasische Juden, die zunächst vor Pogromen und später vor der Oktoberrevolution aus Russland bzw. der Sowjetunion geflohen waren. Die russische Gemeinde war es, welche die Ohel Moshe Synagoge erbauen ließ, in der heute das Shanghai Jewish Refugees Museum untergebracht ist.
Das Museum zeigt in einer kleinen, aber sehr gut gemachten Ausstellung sowohl den Weg der jüdischen Flüchtlinge nach Shanghai als auch ihr Leben in Shanghai. Besonders beeindruckend sind die vielen Originalexponate, die dem Museum von ehemaligen jüdischen Flüchtlingen bei späteren Besuchen in Shanghai gestiftet wurden.
Das Leben in Shanghai war für die Neuankömmlinge aus Europa sehr hart. Die Wohnverhältnisse waren sehr beengt, es grassierten Krankheiten und es war schwierig den eigenen Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen. Unterstützung erhielten sie allerdings von den bereits in Shanghai ansässigen Juden. Insbesondere die zu Reichtum gelangten sephardischen Juden und später auch das American Jewish Joint Distribution Committee unterstützen die Flüchtlinge durch die Zurverfügungstellung von Wohnraum und auch die Einrichtung von Suppenküchen. Trotz dieser schwierigen Bedingungen entwickelte sich mit der Zeit ein reges jüdisches Leben im Stadtteil Hongkou, das Viertel um die Ohel Mosche Synagogue erhielt den Beinamen „Klein-Wien“. An diese Zeit erinnern heute im Museum die Ladenschilder für das „Horn’s Imbiss Stube“ und für eine Wurstbude namens „Würstl-Tenor“, die 2008 bei Bauarbeiten in Hongkou wiederentdeckt wurden und einen neuen Platz im Innenhof des Museums gefunden haben.
Im Innenhof des Museums ist auf Wandtafeln auch ein Großteil der Namen der jüdischen Flüchtlinge aufgeführt, die in dem ab Mai 1943 eingerichteten jüdischen Ghetto in Shanghai lebten.
Shanghai war seit 1937 von den Japanern besetzt und die mit den Japanern verbündeten Deutschen übten im Verlauf des Zweiten Weltkriegs immer mehr Druck auf die Japaner aus, die in Shanghai lebenden Juden an das Deutsche Reich auszuhändigen bzw. selbst für deren Ermordung zu sorgen. Trotz der Allianz mit dem Deutschen Reich wurden die Juden von den Japanern nicht ausgeliefert. Alle Juden, die nach 1937 eingetroffen waren, mussten allerdings ab Mai 1943 ihre Wohnungen und ihre Geschäfte in einen ausgewiesenen Bezirk verlegen, den sie nur noch mit einem Passierschein verlassen durften. Das Ghetto wurde am 3. September 1945 befreit. Die meisten Juden verließen Shanghai in den folgenden Jahren wieder und wanderten in die USA, nach Australien und später auch nach Israel aus.
Vom Museum aus habe ich dann noch einen kleinen Rundgang durch die angrenzenden Straßen gemacht. Die in den 1920er Jahren gebauten, unten abgebildeten Gebäude auf der Huoshan Road und der Zhoushan Road sind im europäischen Stil gehalten und wurden in den 30er und 40er Jahren von jüdischen Flüchtlingen bewohnt. Michael Blumenthal, ehemaliger Finanzminister der USA, lebte als Kind in der Zhoushan Road Nr. 59.