Von Paihia setzen wir unsere Reise weiter Richtung Norden fort. Hauptziel unserer heutigen Tagesetappe ist Cape Reinga. Zunächst fahren wir aber nach Kerikeri und drehen dort eine Runde durch die Kerikeri Mission Station. Gegründet 1819 von der Church Missionary Society, war Kerikeri ein Ort früher Begegnungen zwischen Pakeha (weißen Siedlern) und Maori und ein wichtiger Ort in den folgenden zwei Jahrzehnten gesellschaftlichen Wandels bis zur Unterzeichnung des Vertrags von Waitangi. Die Missionsstation stand unter dem Schutz des Häuptlings Hongi Hika, der aber mehr an Handel und Musketen interessiert war als an ewigem Seelenheil. Die Missionare mussten geduldig sein. Das heute noch zu besichtigende Gebäude des Stone Store wurde trotz der ungewissen Zukunft sehr solide aus lokalem Basalt und Sandstein aus Sydney gebaut und 1836 als Lagerhaus in Betrieb genommen. Seitdem wurde es als Handelsposten, Bücherei, Kaserne, Schule, Krämerladen, Post und Milchladen benutzt, bevor es 1975 von Heritage New Zealand gekauft und restauriert wurde. Heute befindet sich darin ein Souvenirladen und ein kleines Museum. Neben dem Stone Store steht Neuseelands ältestes Gebäude überhaupt. Das Holzhaus Kemp House wurde bereits 1822 für den Reverend John Butler erbaut und später von der Familie Kemp bewohnt, nach der es auch heute noch benannt ist.



Von Kerikeri geht es zunächst weiter nach Mangonui. Dort ist unsere Übernachtung eingeplant und weil es schon kurz vor 12 Uhr ist, beschließen wir zunächst im Mangonui Fish Shop Essen zu gehen, um dann um 14 Uhr in unser Motel einzuchecken und erst danach zum Cape Reinga zu fahren. Im Gegensatz zu den Fish & Chips bei Zane Grey’s in Paihia ist der Fisch im Mangonui Fish Shop ganz hervorragend und die Aussicht ist nahezu unschlagbar.



Die Aussicht wird aber noch übertroffen von der Aussicht von der Terrasse unserer Unterkunft, des Mangonui Motel. Von hier haben wir einen Panoramablick auf Mangonui Harbour.

Nach dem Check-in setzen wir unsere Fahrt gegen halb drei fort und fahren nun zielstrebig durch bis zum Cape Reinga. Wir haben sehr viel Glück mit dem Wetter und können das Kap und den kurzen Spaziergang zum Leuchtturm bei Sonnenschein genießen. Cape Reinga ist zwar nicht ganz der nördlichste Punkt Neuseelands, aber der nördlichste Punkt, der mit dem Auto zu erreichen ist. In der Mythologie der Maori besitzt Cape Reinga eine besondere Bedeutung. Über das Kap sollen sich die Seelen der Verstorbenen auf die Suche nach dem Gipfel Oha der Insel Manawatawhi (Three Kings Islands) machen und sich von dort aus, nach einem letzten Blick zurück in Richtung Aotearoa, auf ihren letzten Weg nach Hawaiki, dem Ort ihrer Ahnen, begeben.





Auf dem Rückweg nach Mangonui machen wir kurz hinter Cape Reinga noch einen kurzen Abstecher zum Tapotupotu Beach, den uns unser Gastgeber in Mangonui empfohlen hat. Hier können wir das erste Mal unseren Allradantrieb testen – es geht auf einer ziemlich schmalen Schotterpiste recht steil runter zum Meer. Am Tapotupotu Beach können Freedom Camper auch über Nacht stehen – ich frage mich allerdings schon, ob ich mit einem gemieteten Camper diese Straße herunterfahren wollte.

Ein weiterer kleiner Abstecher führt uns zu den Te Paki Sanddunes, aber es ist schon recht spät und die Dünen sind recht verlassen – außer uns ist nur noch ein weiteres Auto dort. Die Wege führen durch hohes Schilfgras und wir beschließen schnell, hier nicht länger zu verweilen. Etwas früher am Tag hätte man hier sicher ein bisschen mehr Zeit verbringen und die riesigen Wanderdünen ein Stückchen erklimmen können (so wie ich es bei meiner ersten Reise nach Neuseeland getan habe).

Die weitere Rückfahrt nach Mangonui ist ereignislos, bis auf eine Kuh, die plötzlich auf der Straße steht – in regelmäßigen Abständen stehen an der Straße auch Schilder mit einer Rufnummer, bei der man „wandering stock“ – also herumstreunende Weidetiere – melden kann. Wir halten zunächst an, aber nachdem die Kuh keine Anstalten macht, sich zu bewegen, fahren wir langsam auf sie zu und dann macht sie auch Platz. Im Auto ist so eine Begegnung schon wesentlich angenehmer als die Begegnung zu Fuß mit einem ausgewachsenen Hochlandrind in den schottischen Highlands, die ich beim Wandern auch schon hatte.

Die letzte halbe Stunde bis Mangonui fahren wir in der Dämmerung und wir sind froh heile anzukommen – eine viel größere Gefahr als ausgebüxte Kühe sind nämlich kleine Wildtiere wie Possums, die in der Dämmerung und bei Nacht die Straßen kreuzen. Neuseeländer haben wohl wenig Mitleid mit ihnen – jedenfalls sehen wir sehr viel „road kill“. Aber die meisten Tiere, die hier totgefahren werden, sind auch ein Plage in Neuseeland – sie sind hier nicht heimisch und dezimieren die Population der heimischen Vögel, die oft nicht fliegen können, einschließlich des sehr seltenen Kiwi. Auch unser Mitleid sollte sich also in Grenzen halten – nur um den Mietwagen mache ich mir in diesem Zusammenhang etwas Sorgen und fahre daher sehr vorsichtig.