Die fünfte Etappe unserer langsamen Anreise auf die Äußeren Hebriden war die Zugfahrt von Glasgow nach Oban. Um 8:21 Uhr sollte es losgehen. Gut gelaunt passierten wir gegen 8:10 Uhr die Ticketkontrolle und begaben uns zu Gleis 7, wo unser Zug schon wartete.

Unmittelbar nachdem ich den Zug betreten hatte, wunderte ich mich, wie voll er schon war. In unserem Wagen schienen alle Plätze belegt zu sein, alle Gepäckfächer waren voll und im Gang standen weitere Fahrgäste und Gepäck. Auf unseren Plätzen saßen ein paar kleine belgische Pfadfinder, die auch nicht bereit waren aufzustehen. Erst ein Gespräch mit ihrem Gruppenleiter hat dazu geführt, dass man uns zwei Plätze, allerdings auch nicht die von uns reservierten, frei gemacht hat. Dies war allerdings auch nur eine temporäre Lösung, denn einer der beiden Plätze war aber Garelochhead reserviert und die Person, die dann dort einstieg (auch eine Deutsche), insistierte auf ihrem Platz. Soweit, so berechtigt. Unverschämt wurde es, als sie auch noch verlangte, dass wir Katharinas Rucksack unter dem Sitz rausholen, damit sie ihren eigenen Rucksack dorthin tun konnte. Wir haben nachgegeben. Am Ende hatte sie nicht nur ihren Sitzplatz, sondern auch noch den daneben, weil die andere Person, die diesen reserviert hatte, gar nicht eingestiegen war. Auf den zweiten Sitzplatz hat sie dann ihr zweites Gepäckstück gestellt – in einem total überfüllten Zug, wo andere Leute stehen mussten. In der Zwischenzeit hatte Katharina wieder mit dem Gruppenleiter der Pfadfinder-Gruppe gesprochen und er hatte wieder zwei seiner Pfadfinder umgesetzt (mittlerweile saßen teilweise sechs Pfadfinder an einem Vierertisch oder wahlweise auch auf den Tischen). Wir bekamen also wieder zwei Sitzplätze.

Der Gruppenleiter versuchte auch uns zu erklären, was passiert war, aber es war nicht wirklich nachzuvollziehen. Erst klang es so, als hätten sie Reservierungen in einem anderen Wagen gehabt, der an diesem Tag fehlte. Dann sagt er aber, sie hätten schon am Vortag fahren sollen, aber den Zug nicht besteigen können. ScotRail haben ihnen Tickets für diesen Zug ausgestellt, aber ohne Reservierung. Ich dachte nun, dass sie ggfs. überhaupt keine Reservierungen gehabt hätten und deswegen am Vortag nicht einsteigen durften. So war es aber auch nicht, wie sich später herausstellen sollte.
In Crianlarich wurde die Situation noch absurder. Es stellte sich heraus, dass der Wagen, in dem wir saßen, nicht wie geplant nach Oban weiterfahren würde. Also stiegen wir mit allen Leuten, die nach Oban wollten, aus. Und dann standen wir erstmal auf dem kleinen Bahnhof von Crianlarich und selbst die Mitarbeiter von ScotRail vor Ort wussten nicht, ob noch ein Zug nach Oban fahren würde. Dann hieß es aber, dass auf dem gleichen Gleis, hinter dem Zug, aus dem wir gerade ausgestiegen waren, zwei Waggons nach Oban einfahren würden. Dieses Mal stand ich direkt vor der Zugtür, als diese aufging, und war dementsprechend als eine der ersten an Bord. So konnte ich uns zwei Sitzplätze sichern. Auch dieser Zug war total überfüllt. Im ganzen Gang standen andere Fahrgäste. Wir boten unsere Plätze einem älteren amerikanischen Ehepaar an, die neben uns standen, aber sie lehnten zunächst ab. Zwischendurch nahm die Frau das Angebot dann aber doch an und setzte sich eine Weile neben mich. Von ihr habe ich dann auch erfahren, was wohl mit der Pfadfinder-Gruppe passiert war. Sie und ihr Mann seien schon am Vorabend am Bahnhof gewesen, um zu gucken, wo ihr Zug abfahren würde. Dabei hätten sie festgestellt, dass ihr Zug am nächsten Tag um 10:10 Uhr gestrichen worden sei. ScotRail habe ihnen daraufhin neue Fahrkarten für den Zug um 8:21 Uhr ausgestellt, allerdings ohne Sitzplatzreservierungen.
Auch die Pfadfinder-Gruppe sei schon am Vorabend am Bahnhof gewesen. Mitarbeiter von ScotRail hätten ihnen erzählt, dass die Gruppe an dies Tag einen Zug hätte nehmen sollen, der aber ebenfalls gestrichen worden sei (wahrscheinlich der Zug um 10:10 Uhr am Freitag). Daraufhin habe ScotRail der Gruppe Tickets für den Folgetag ausgestellt – allerdings, wie auch ihnen selbst, ohne Reservierungen. Klar, denn der Zug nach Oban war auch ohne die Gruppe offensichtlich schon voll.
Tatsächlich hatte die Gruppe also für diesen Tag keine Reservierungen und es war schon ziemlich unverschämt, dass sie allen anderen Reisenden die reservierten Plätze weggenommen haben. Es steht aber zu vermuten, dass die Gruppe die Nacht am Bahnhof hatte verbringen müssen, wofür sie mir schon wieder Leid tun.
Letztlich sind wir mit einer halben Stunde Verspätung im Oban angekommen und hatten sogar noch ausreichend Zeit, um bei Wetherspoons etwas zu Mittag zu essen, einen Cider zu trinken und die Aussicht auf den Hafen zu genießen, bevor wir die Fähre nach Barra bestiegen haben.



