Peking zu Fuß

Gestern Morgen bin ich schon um 6:45 Uhr aufgewacht, obwohl ich in den drei Nächten zuvor jeweils weniger als fünf Stunden geschlafen hatte und eigentlich mal richtig hätte ausschlafen können. Ich habe mich dann auf sofort aufgerafft und saß schon um kurz nach 7 Uhr beim Frühstück. Die chinesische Variante von Eggs Benedict ist etwas eigenwillig, aber geschmeckt hat es trotzdem. 

Obwohl ich so früh dran war mit dem Frühstück, bin ich erst gegen 10 Uhr vom Hostel aus gestartet. Das lag daran, dass ich versucht habe meine Hongkong-SIM-Karte mit Guthaben aufzuladen, um ein Datenpaket zum mobilen Surfen im Internet erwerben zu können. Letztes Jahr habe ich es einfach so gemacht, dass ich die Hostelmitarbeiter gebeten habe, mir mit Alipay (einem speziellen Online-Bezahlsystem in China) Guthaben aufzuladen. Das funktionierte deshalb, weil ich letztes Jahr mit der SIM-Karte nicht nur eine Hongkong-Nummer, sondern auch eine „Mainland“-Nummer bekommen habe. Dieses Jahr habe ich aber wohl nur eine Hongkong-Nummer bekommen und diese Nummer kann man mit Alipay nicht aufladen. Nachdem eine freundliche Hostelmitarbeiterin mit der Hotline von China Unicom gesprochen hatte, war klar, dass ich meine Hongkong-Karte eigentlich ganz einfach selbst mit der Kreditkarte aufladen kann. Hat nur nicht geklappt. Und zwar aus vollkommen unerfindlichen Gründen. Da ich für’s Bezahlen im Internet nur meine MasterCard registriert habe, konnte ich es auch nicht sofort mit der VisaCard probieren. Diese musste ich erst bei der DKB für Verified by Visa anmelden. Und das geht nicht von jetzt auf gleich, sondern man muss abwarten, bis man eine Überweisung mit einem Code geschickt bekommt, um die Registrierung abzuschließen. In der Zwischenzeit hatte ich all mein Guthaben verbraucht und konnte gar nicht mehr ins Internet. Jetzt würde man ja meinen, dass das nicht so schlimm ist, weil es auch in China überall kostenloses WiFi gibt, aber leider stimmt das nur in der Theorie. Denn mittlerweile muss man sich überall, wo man kostenlos WiFi nutzen will, sogar im Hostel, mit einer chinesischen (und nur einer chinesischen) Handynummer registrieren. Im Hostel sind die Mitarbeiter so hilfsbereit und stellen einem ihre Nummer zur Verfügung, aber wenn man unterwegs ist, dann hilft es einem wenig. Bei manchen WiFi-Hotspots kann man sich allerdings automatisch per WeChat (dem chinesischen WhatsApp) anmelden und das wiederum funktioniert bei mir, vermutlich, weil bei WeChat noch meine chinesische Handynummer vom letzten Jahr gespeichert ist. 

Lange Rede, kurzer Sinn: die Handy-Geschichte hat mich geschlagene zwei Stunden gekostet, bevor ich aufgegeben habe und zur Beijing Railway Station gefahren bin, um meine im Voraus gebuchten Zugtickets abzuholen. Wenigstens das hat problemlos geklappt.

Auf dem Platz vor der Beijing Railway Station hatte ich dann mein bislang schrägstes Erlebnis in China. Es ist in China grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, Kleinkinder mit einem Schlitz hinten in der Hose zu sehen. Windeln oder Unterhosen tragen sie dabei keine. Und in Parks sieht man gelegentlich auch mal, dass sie in einem Beet hocken und ihr Geschäft verrichten. Na gut. Aber das, was ich gestern gesehen habe, toppt alles andere, was ich bislang gesehen habe. Saß doch vor der Beijing Railway Station mitten auf dem Vorplatz ein Kleinkind mit Schlitz in der Hose über einer Plastiktüte und … ihr wisst schon. Ich habe mich dann abends (dazu später mehr) mit der Führerin unserer Food Tour darüber unterhalten, die seit sechs Jahren in China lebt. Sie erzählte, dass sie kürzlich Besuch gehabt habe und sie noch behauptet habe, dass so etwas nicht mehr so häufig vorkommen würde, dass aber genau in der Minute in der sie dies gesagt habe, ein Kind neben ihr auf die Straße gemacht habe. Und da wundert man sich, dass sie als Erwachsene nicht begreifen, wie ekelhaft es ist, wenn sie auf die Straße rotzen. 

Von der Beijing Railway Station habe ich einen kurzen Abstecher in die COFCO-Plaza gemacht. Diese liegt genau gegenüber den State Apartments im Henderson Center, wo ich 2007 meine Wohnung hatte. Leider ist der Supermarkt, der noch bis letztes Jahr im Untergeschoss der COFCO-Plaza war, verschwunden. Aber den richtigen Schock habe ich erst bekommen, als ich rüber in die Mall des Henderson Center gegangen bin. Da wo ich letztes Jahr noch bei South Beauty Essen gegangen bin, standen heute fast alle Läden leer, das Restaurant war geschlossen und es war insgesamt eine sehr seltsame Atmosphäre. Eigentlich kann man vom Henderson Center im zweiten Untergeschossen direkt in die U-Bahn-Station gehen, aber ich bin nur bis zum ersten Untergeschoss runtergefahren und dann sofort wieder umgedreht, weil es dort so dunkel und ausgestorben war. 

Also bin ich wieder zum Eingang an der Beijing Railway Station gelaufen und von dort mit der U-Bahn bis zur Station Qianmen am südlichen Ende des Platzes des Himmlischen Friedens gelaufen. Mittlerweile muss man durch eine Sicherheitskontrolle, um überhaupt auf den Platz zu kommen. Der Platz war zwar geöffnet, aber ich habe nicht sofort gesehen, wo der Eingang war und bin daher seitlich dran vorbeigelaufen.

Ich wollte auch eigentlich nicht auf den Platz, sondern vom Platz aus einen Spaziergang durch das alte Gesandtschaftsviertel machen, das sich im Osten an den Platz des Himmlischen Friedens anschließt. 

Von der Ostseite des Platzes des Himmlischen Friedens führen ein paar Stufen hinauf zur Dongjiaomin Xiang Straße. Das erste Gebäude von Interesse auf der von Lonely Planet vorgeschlagenen Route war das alte französische Hospital, ein rotes Backsteingebäude. 

Das ebenfalls beschriebene Legationsquartier, das heute mehrere trendige Restaurants beherbergt, konnte ich von der Dongjiaomin Xiang Straße aus leider nicht sehen. Der Eingang liegt an der Qianmen Dongdajie. Schade. 

Auch von der ehemaligen niederländischen Gesandtschaft konnte ich wenig sehen, da das Gebäude hinter einer hohen Mauer liegt. Nur die grünen Dächer waren zu sehen und diese zu fotografieren habe ich mir gespart. 

Uneingeschränkt zu betrachten war dann allerdings das ehemalige Gebäude der First National Bank of New York, in dem sich heute das Polizeimuseum von Peking befindet. 

Die Dongjiaomin Xiang Straße selbst ist eine schöne, baumbestandene Straße, auf der es sich an einem heißen, sonnigen Tag in Peking gut Spazierengehen lässt.

An der Ecke Dongjiaomin Xiang/Zhengyi Lu steht ein weiteres altes Bankgebäude, in dem einst die Yokohama Specie Bank ihren Sitz hatte. Gut zu erkennen ist das Gebäude an seinem roten Kuppeldach.

Etwas weiter die Straße hinunter liegt das ehemalige französische Postamt. Dort soll heute ein Sichuan-Restaurant sein, aber vielleicht ist diese Info aus dem Lonely Planet auch schon wieder überholt, denn ich konnte nichts erkennen, was auf ein Restaurant hingedeutet hätte. Schade, denn es hätte sich für eine Mittagspause angeboten. 

Vom ehemaligen französischen Gesandtschaftsgebäude habe ich kein Bild gemacht, weil es so wie es aussah heute ein Regierungsgebäude ist. Jedenfalls stand ein Wachsoldat davor und da habe ich lieber nicht fotografiert. 

Gerne fotografiert hätte ich die St. Michael’s Kirche, deren Türme man von der anderen Straßenseite aus noch gut sehen konnte. Leider war das Tor zum Kirchhof verschlossen und so konnte ich nur einen sehr eingeschränkten Blick durch die Lücken in der Mauer erhaschen. 

Auf der anderen Seite der St. Michael’s Kirche liegt die ehemalige belgische Gesandtschaft, aber auch diese ist (heute) von einer hohen Mauer umgeben, sodass es außer den grünen Dächern nichts zu sehen gab. 

An der Ecke Dongjiaomin Xiang/Taijichang Dajie bin ich nach Norden abgebogen und habe meinen Spaziergang an der Chang’an Avenue gegenüber der Wangfujing Straße beendet. 

Nachdem ich meinen eigentlichen Spaziergang beendet hatte, bin ich auf die Wangfujing Straße gegangen. Diese wird mittlerweile von diversen großen Shopping Malls dominiert. Mich hat es wieder in das Untergeschoss der Oriental Plaza verschlagen, weil dort ein ganz günstiger Food Court ist. Nachdem ich mir meine Bezahlbare am Schalter geholt hatte, bin ich einmal durch den gesamten Food Court gelaufen und habe geguckt, was es alles Leckeres gibt. Ich habe mich am Ende für typischen Pekinger Streetfood und zwei kleine Gerichte aus Hunan entschieden. Bei allem habe ich einfach drauf gezeigt und gehofft, dass nichts allzu Exotisches drin ist. Hat super funktioniert 🙂

Nach dem Essen habe ich meine Karte wieder zurückgegeben und mir den Restbetrag auszahlen lassen. Das ganze Essen hat nur 31 RMB, d.h. 3,98 € gekostet. Deutlich teurer war da schon der Nachtisch, den ich mir anschließend noch gegönnt habe. Ein „Mango Pancake“ und ein Saft für zusammen 38 RMB.

So gestärkt bin ich weiter die Wangfujing Straße in Richtung Norden gelaufen. Das Thema SIM-Karte beschäftigte mich immer noch und so bin ich in einen China Unicom-Laden gegangen und habe gefragt, was eine SIM-Karte nur mit 1 GB Daten kosten würde. 320 RMB. Das war mir zu teuer. Sehr schnell ging die Verkäuferin dann auf 280 RMB runter. Aber auch das erschien mir noch sehr teuer. Also habe ich mich wieder verabschiedet und mich mal wieder zu Starbucks begeben, um dort das Internet zu nutzen. Dabei habe ich festgestellt, dass die von mir gewünschte Karte bei China Unicom eigentlich nur 106 RMB kostet. Da wollten sie mich ganz schön abzocken. 

Da es erst 15 Uhr war und ich bis zu meiner Old Beijing Dinner Tour noch vier Stunden Zeit hatte, bin ich von der Wangfujing Straße bis zum Hostel gelaufen. Auf der Wangfujing Straße habe ich mir aber erst noch die katholische St. Joseph’s Kirche angesehen, die in ihrer Geschichte schon so einiges mitgemacht hat. Dreimal wurde sie zerstört und wieder aufgebaut. 

Dabei bin ich in Teilen wieder einem von Lonely Planet vorgeschlagenem Spaziergang gefolgt. 

Interessanter als die Sehenswürdigkeiten auf dem Weg (Bibliothek, in der Mao als junger Mann gearbeitet hat; Haus, in dem Mao gewohnt hat), fand ich die Tatsache, dass überall in den Hutongs, durch die ich durchgelaufen bin, gebaut wurde. Ich habe den Eindruck, dass dieses Viertel das nächste ist, das einer Generalüberholung unterzogen wird. Wie es aussieht, wenn so etwas fertig ist, kann man am Nanluoguxiang Hutong sehen, wo mein Hostel liegt. Es ist dort jetzt wirklich alles sehr hübsch, aber ich denke das alte Peking verliert so seine Seele und ich vermute, dass die Menschen die bislang in den Hutongs wohnen sich die höheren Mieten nach der Sanierung nicht mehr werden leisten können. Fotos von den Bauarbeiten habe ich keine gemacht, weil ich immer geguckt habe, dass ich so schnell wie möglich aus den Baustellenbereichen wieder raus war – mit unseren Sicherheitsvorstellungen hat das hier nämlich nichts zu tun. Abseits der Baustellen boten die Hutongs aber noch ausreichend Fotomotive.

Gegen Ende meines Spaziergangs bin ich dann durch einen Bereich gelaufen, wo die Hutongs schon saniert ist. Da sieht man – wie auch in der unmittelbaren Nähe des Hostels – wie es später dort aussehen könnte, wo gerade noch saniert wird.

Abends habe ich dann die Old Beijing Dinner Tour gemacht, aber die verdient einen eigenen Beitrag. Der kommt morgen.