Xiamen – Tag 1

Für den zweiten Tag in Xiamen hatte ich mir vorgenommen, mir den Campus der Universität von Xiamen anzusehen und die Insel Gulangyu. Der Campus der Universität kann allerdings nur von 12 – 14 Uhr besichtigt werden, wobei die Besucherzahl auf insgesamt 1000 beschränkt ist, oder nach 17 Uhr (keine Beschränkung). Die Insel Gulangyu ist bei Touristen sehr, sehr beliebt und daher jedenfalls vormittags sehr überfüllt, sodass mir meine wunderbare Stadtführerin Jenny aus Wuyishan geraten hatte, dort erst nachmittags hinzufahren. Beides zusammen führte dazu, dass ich den Vormittag „frei“ hatte und ganz langsam in den Tag starten konnte. Also bin ich relativ spät aufgestanden und habe dann mein nun schon traditionelles Frühstück bei Starbucks eingenommen.

Gegen 11 Uhr habe ich an der Siming South Road den Bus Richtung Xiamen University genommen. Wie ich dort hinkomme und welchen Bus ich nehmen muss, habe ich vorher bei Google Maps nachgeschaut. Ich kann gar nicht oft genug sagen, wie hilfreich Google Maps selbst in China ist. Man könnte ja meinen, dass Google Maps in China, wo man es nur mit Hilfe eines VPN oder einer ausländischen SIM-Karte nutzen kann, nicht mehr Informationen liefert als die „einfachen“ Kartendaten. Aber weit gefehlt: wie ich schon in Peking und Shanghai festgestellt hatte, liefert Google Maps auch Informationen zum öffentlichen Nahverkehr. Und zwar selbst in Xiamen! Zwar erscheint immer eine Nachricht, dass die Informationen nicht mehr aktuell sein könnten, aber bislang haben jedenfalls die Routeninformationen, sprich die Bus- bzw. U-Bahn-Linien und die Haltestellen, gestimmt und wenn die Abfahrtszeiten nicht ganz stimmen, kann man ja auch einfach auf den nächsten Bus oder die nächste Bahn warten.

Als ich gegen 11:30 Uhr an der Universität ankam, bildete sich vor dem Eingang schon eine längere Schlange, in die ich mich eingereiht habe. Während ich darauf wartete eingelassen zu werden, versuchten  verschiedenste Händler mir allerlei mehr oder weniger nützliche Dinge zu verkaufen: Karten des Universitätsgeländes, Sonnenschirme, Wasser und Eis. Pünktlich um 12 Uhr wurde der Einlass geöffnet und nachdem ich meinen Reisepass vorgezeigt hatte, durfte ich das Universitätsgelände betreten. Der Eintritt war frei. 

Ich hatte mich für einen Besuch des Campus entschieden, weil dieser als architektonisch recht spektakulär beschrieben wird – eine Mischung aus westlicher und asiatischer Architektur, aus Altem und Modernem. Eine Beschreibung lautet sinngemäß, dass die Universität einen (westlichen) Anzug mit Bambushut trägt. 

Mir sind bei meinem Rundgang zunächst einige ältere Gebäude im westlichen Stil aufgefallen. Dabei handelte es sich offensichtlich um Wohnheime. Ich hätte mich auch auf dem Campus einer alten amerikanischen Universität befinden können.

Aber es gab auch eine ganze Reihe von Gebäuden mit eindeutig asiatischen Einflüssen, wie z.B. beim Dach des Gebäudes auf dem nachfolgenden Bild, welches – wie man vielleicht erkennen kann – direkt neben dem eher westlichen Gebäude auf dem vorherigen Bild steht. 

Herzstück des Campus ist ein See, der von einem sehr schönen Park umgeben ist.

Am Ufer des Sees steht eine Gruppe von Skulpturen – ich denke es soll eine Gruppe von Studenten und/oder Gelehrten im Gespräch darstellen. Auf dem Campus finden sich an anderer Stelle noch eine ganze Reihe weiterer derartiger Skulpturen. 

Vom See aus bin ich relativ planlos weiter über den Campus gelaufen. Die versprochene Mischung aus westlicher und asiatischer, moderner und alter Architektur war tatsächlich vorhanden. 

Interessanter als die Gebäude fand ich aber die kleinen Dinge, die mir bei meinem Spaziergang begegnet sind, wie die nachfolgende Statue und weitere bunt gestaltete Stromkästen.

Am Rande des Campus konnte ich einen Blick auf das Südchinesische Meer erhaschen. Was für eine traumhafte Lage für eine Universität!

Besonders beeindruckend war noch das Sportstadion – eine Art Amphitheater, allerdings nur mit Rängen auf der einen Seite.

Neben der Universität liegt der Nanputuo Tempel und diesen habe ich mir im Anschluss auch noch angesehen. Der Nanputuo Tempel ist der älteste buddhistische Tempel im südlichen Fujian. Er wurde in der Tang-Dynastie (618 – 917) gebaut. 

Schon allein das Gelände vor dem Tempel war wunderschön gestaltet, mit einem großen See mit Lotusblüten und mehreren Pagoden.

Der Tempel besteht aus drei Hallen und jede Halle beherbergt eine Reihe von Buddha-Statuen. Leider habe ich nur in einer der Hallen ein Bild machen können, da hier das Fotografieren nicht gern gesehen wurde. 

Draußen war das Fotografieren aber zum Glück gestattet.

Auf dem Gelände des Tempels ist auch noch das „Buddhist College of Minnan“ untergebracht, eine der ältesten buddhistischen Lehranstalten des Landes. Das College wurde 1925 gegründet. Im Rahmen der Kulturrevolution wurde das College 1966 weitgehend zerstört und die meisten Mönche flohen. Erst 1985 konnte das College wiedereröffnet werden. Seitdem hat das College mehr als 2000 Absolventen hervorgebracht. Allein im Jahr 2017 wurden 339 neue Studenten aufgenommen. 

Nach meinem Besuch im Tempel bin ich mit dem Bus zum International Cruise Terminal gefahren, um von dort nach Gulangyu überzusetzen. Um ganz sicher zu gehen, dass ich auch in den richtigen Bus einsteige, hatte ich mir für die Haltestellen, an denen ich aussteigen wollte, auf dem Computer kleine, mehrsprachige Zettel geschrieben, die ich dann mit dem Handy abfotografiert habe. Beim Einsteigen in den Bus zum Fährterminal habe ich dem Fahrer dann einfach mein Handy gezeigt und er hat genickt, sodass ich davon ausgehen konnte, dass ich im richtigen Bus sitze.

Die Busfahrt dauerte deutlich weniger lange, als Google Maps vorhergesagt hatte, was daran gelegen haben mag, dass der Bus auf einem Großteil der Strecke seine eigene Spur hatte und so nicht im Verkehr stecken blieb. Auf dem nächsten Bild kann man im Übrigen sehen, wie das Bezahlen im Bus funktioniert: entweder man hat eine Chipkarte mit Guthaben, die man an das Kartenlesegerät hält, oder man wirft einfach 1 Yuan in die Münzbox und nimmt sich ein Ticket bzw. einen Beleg.

Als ich am Fährterminal ankam, war es dort zum Glück komplett leer und ich konnte ein Ticket für die nächste Fähre nach Gulangyu kaufen.  

Auf Gulangyu gibt es zwei Anlegestellen und die nächste Fähre fuhr zur Anlegestelle Nei Cuo Ao, die sich auf der vom Festland abgelegenen, ruhigeren Seite von Gulangyu befindet. Das passte mir ganz gut, denn so konnte ich einmal quer über die Insel laufen und von der anderen Seite wieder zurückfahren (die Rückfahrkarte gilt für beide Anlegestellen). 

Fährterminal Xiamen
Blick zurück auf Xiamen
Fährterminal Nei Cuo Ao auf Gulangyu

Auf Gulangyu angekommen, habe ich zunächst nach der Touristeninformation gesucht und sie zum Glück auch relativ schnell gefunden. Wenn man in Nei Cuo Ao ankommt, muss man sich einfach sofort nach links wenden und ein Stück am Ufer entlang laufen, dann kann man die Touristeninformation nicht verfehlen. In der Touristeninformation hat mir eine sehr hilfsbereite Mitarbeiterin eine kostenlose Karte von Gulangyu gegeben und mir auch noch erklärt, dass ich mit meinem Ticket für die Fähre auch von der anderen Anlegestelle wieder zurück nach Xiamen fahren kann, was ich bis dahin gehofft, aber nicht sicher gewusst hatte.

Mit dem Plan ausgestattet bin ich losgezogen, die Insel zu entdecken. Was sofort auffiel war wie gepflegt auf Gulangyu alles war. Und wie ruhig – denn Gulangyu ist eine autofreie Insel. Hier wird alles entweder mit Elektrowägelchen transportiert oder mit Handkarren.

Anstatt sofort die ersten Sehenswürdigkeiten anzusteuern, bin ich zunächst ein Stück der Uferpromenade gefolgt. Hier war ich quasi allein. Von der Uferpromenade hatte man zudem einen tollen Ausblick zurück in Richtung Xiamen.

Nach einer Weile habe ich mich dann aber doch in Richtung Inselinneres gewandt, um mir das anzusehen, wofür Gulangyu so berühmt ist – die vielen Gebäude aus der Kolonialzeit. Teilweise sind sie ganz gut in Schuss bzw. schon saniert, teilweise sind sie aber auch vom Einsturz bedroht. 

Eine Zeit lang war Gulangyu die einzige internationale Siedlung in China, neben der weitaus bekannteren internationalen Siedlung in Shanghai. Bald nachdem Xiamen als Folge der chinesischen Niederlage im ersten Opium-Krieg und des Vertrages von Nanking im Jahr 1842 ein sogenannter „treaty port“ geworden war, gründeten die ausländischen Einwohner der Insel eine informelle Organisation zur Verwaltung der Insel, die Jahrzehnte später, im Jahr 1902, auch formell die Verwaltung der Insel übernahm. Zum Schluss genossen 13 Länder, darunter Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Japan, exterritoriale Sonderrechte und beteiligten sich an der Verwaltung der Insel. Die Briten spielten dabei eine besonders hervorgehobene Rolle. So waren die Polizeibeamten der Insel Sikhs aus Britisch-Indien. Die Konsulate, Kirchen, Krankenhäuser, Schulen und Polizeistationen die von der ausländischen Gemeinde gebaut wurden, erklären die hauptsächlich viktorianische Bauweise auf der Insel. 

Mit meiner Kamera durch die Gässchen von Gulangyu zu schlendern, in denen ich zunächst auch ziemlich allein unterwegs war, war eines der besten Erlebnisse meiner Chinareise. Ich liebe einfach den besonderen Charme von alten, leicht baufälligen Häusern, bei denen der Putz von den Wänden bröckelt. Und von solchen Häusern gibt es auf Gulangyu noch eine ganze Menge. 

Leider habe ich mich bei meinem Spaziergang dann etwas verlaufen – trotz Karte und jeder Menge Wegweisern. Ich wollte mir unbedingt die 1934 gebaute Trinity Church ansehen, aber den Weg dorthin zu finden stellte sich als ziemlich schwierig heraus. Ich muss wohl sehr verloren ausgesehen haben, denn mich sprach eine junge Chinesin auf Englisch an und fragte, wo ich denn hin wolle. Nachdem ich ihr gesagt hatte, dass ich zur Trinity Church wollte, sagte sie, dass sie mich dort hinbringen würde. Was sie dann auch getan hat. Schnellen Schrittes und sehr zielstrebig lief sie vor mir her und bog nach kurzer Zeit in einen Fußgängertunnel ab. Am Ende des Tunnels lag die Trinity Church und meine Retterin verabschiedete sich von mir und lief wieder zurück in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Sie war also tatsächlich nur um mir den Weg zu zeigen hier her gelaufen und nicht etwa, weil sie ohnehin in diese Richtung gemusst hätte. 

Die Trinity Church konnte man dann leider gar nicht besichtigen und auch Fotos habe ich keine guten machen können, da die Kirche von einem hohen Zaun umgeben war. Schade. Aber nicht weiter tragisch. Die Trinity Church befindet sich im eher touristischen Teil von Gulangyu und dementsprechend war hier auch mehr los, obwohl es schon später am Nachmittag war. Ich bin weiter durch die Gässchen von Gulangyu gelaufen und habe noch mehr Fotos von schönen alten Gebäuden gemacht. Reingegangen bin ich allerdings in keine. 

Auch von dieser Seite der Insel hatte man eine sehr schöne Aussicht auf Xiamen. 

An der Uferpromenade habe ich die Gelegenheit genutzt, meinen tags zuvor gekauften Selfie-Stick auszuprobieren. Ich glaube ich muss noch ein bisschen üben 😉

Mittlerweile war es schon früher Abend und ich hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Daher bin ich von der Uferpromenade in das Einkaufsviertel von Gulangyu gelaufen, um dort nach einem Restaurant zu suchen. Ich habe am Ende auch eins gefunden, allerdings war ich mit meinem Essen – einer Suppe – eher weniger zufrieden. Gut, dass ich dort außer einem Drink nichts Weiteres bestellt hatte.

Nach dem Essen habe ich die nächste Fähre zurück nach Xiamen genommen. Dort habe ich dann bei Brazen Duck eine Snack Box mit Wraps gefüllt mit Ente und einer Hühnerkeule bestellt. Im Gegensatz zu der Suppe auf Gulangyu war dies sehr lecker und auch die lange Wartezeit wert, während der ich der Verkäuferin beim Herstellen der Wraps zuschauen konnte. 

Mit meiner Box habe ich mich dann auf eine der vielen Bänke auf der Zhongshan Road gesetzt und gegessen. Abends ist dort richtig viel los und die Hitze, die es tagsüber fast unerträglich macht, weicht abends einer sehr angenehmen, milden Wärme. Ich liebe die Tropen (jedenfalls abends).

Anschließend bin ich zu Carrefour gegangen, um für Rainer nach einer Sauer-Scharf-Suppe von Maggi zu suchen. Aber es gab sie auch hier nicht. Dabei mangelte es beim Carrefour in Xiamen keineswegs an deutschen Produkten.

Zum Abschluss des Tages bin ich noch einmal bei Starbucks vorbeigegangen und habe mir einen Iced Green Tea Latte und ein kleines Mangotörtchen zum Mitnehmen gekauft. Ziemlich erschlagen bin ich dann ins Hotel zurückgekehrt.

Trotz des späten Starts war es ein langer und anstrengender Tag. Aber es war auch ein sehr schöner Tag – Gulangyu ist auf jeden Fall noch einen weiteren Besuch wert, beim nächsten Mal vielleicht mit Übernachtung auf der Insel, um diese am späteren Abend oder frühen Morgen einmal ohne die Touristenmassen erleben zu können und vielleicht auch mal ein Piano erklingen zu hören. Denn auch dafür ist Gulangyu berühmt – die höchste Piano-Dichte pro Kopf in ganz China!